Making of „Klieger – von einem der überlebte“

Nach zwei Schnupperstunden zu Beginn des Schuljahres standen, als sich die neue Gruppe gefunden hatte, in den ersten Wochen ausschließlich spielerische Übungen, insbesondere zur Körperarbeit auf dem Programm. Jeden Muskel seines Körpers spüren lernen, in seinen Körper hineinhören, aus einer Bewegung heraus einzufrieren, waren ebenso Bestandteil dieser Phase, wie schnell auf Impulse zu reagieren und selbst solche zu setzen. In diese Phase fiel auch die erste kleine Produktion und Aufführung. Shakespeares „Die Fremden“ war die Grundlage für eine knapp 8minütige Aufführung am Kennenlernabend. Danach ging es um die Entscheidung, welches Stück die Schüler:innen im Mai zur Aufführung bringen wollten. Eine besondere Herausforderung stellte auch die Tatsache dar, dass das Stück am Ende des Schuljahres im Rahmen der Aschaffenburger Schultheatertage noch einmal im Stadttheater zur Aufführung kommen sollte. Letztlich entschieden sie sich auf der Grundlage des Buches „Noah“ von Takis Würger ihr eigenes Theaterstück zu entwickeln. 

Takis Würgers Buch das schlussendlich ein „Vermächtnis“ des Auschwitz-Überlebenden Noah Klieger ist, den er in Günzburg/Bayern kennenlernte und dann in Tel Aviv über mehrere Monate hinweg interviewen durfte. Hieraus entstand ein Lebensbericht – ohne künstliche Sprachbilder und Spannungsbögen – im Inhalt sachlich nüchtern, beklemmend und erschreckend. Noah Klieger engagierte sich schon als Jugendlicher im belgischen Widerstand, wurde nach Auschwitz deportiert, überlebte das Lager und den Todesmarsch 1945. Er war aber nicht nur ein Überlebender, er kämpfte auf der Exodus für das Recht der Juden in Palästina ihren eigenen Staat aufbauen zu dürfen, in dem er später als Journalist bis zu seinem Tode leben sollte.

Nach der Zustimmung des Autors Takis Würger, dass wir sein und Noah Kliegers Buch dramaturgisch verarbeiten dürfen, haben alle Schüler:innen das Buch gelesen und eigenständig Ideen zur Umsetzung auf der Bühne vorgestellt. So entstand auch die Idee den Autor und die Entstehung des Buches selbst in das Stück einzubauen.

Die Ereignisse in Israel, sowie auch das aktuelle Aufflammen nationalistischer Töne in Deutschland verliehen dem Entwicklungs- und Probenprozess zusätzlich eine hohe Aktualität und sorgten für Diskussionsstoff.

Im nächsten Schritt improvisierten die Beteiligten mit einzelnen Schlüsselszenen, um so spielerisch ein Gefühl für die Stimmungen der handelnden Personen zu gewinnen. In dieser Phase entstand auch das Konzept den ersten Teil des Buches bis zur Befreiung des KZ Auschwitz szenisch zu spielen und den zweiten Teil, der der Zeit nach dem 2. Weltkrieg und der Gründung des Staates Israel gewidmet ist, mit szenischen Bildern und kurzen in sich greifenden Monologen auf der Bühne darzustellen. Auch die Idee, mit einer Schatten- und Projektionswand zu agieren, fiel in diese Zeit. So freute es uns sehr, dass Lusine Gasparyam zu unserer Theatergruppe dazustieß, die zahlreiche Bilder gestaltete, die die Stimmung auf der Bühne visuell verstärken sollten.

Erst nach den Faschingsferien wurden die Rollen besetzt, wobei alle letztlich eine Rolle fanden, in der sie sich im vorangegangenen Probenprozess wohl gefühlt hatten und an der sie auch weiter arbeiten wollten.

In zahlreichen Proben erspielten und anverwandelten sich die Schauspieler:innen die Szenen und entwickelten so die zuvor von Herrn Kolb entwickelte Fassung des Theaterstücks weiter. Nach den Osterferien fügten sich in der finalen Proben- und Aufführungswoche die Szenen zu einem in sich schlüssigen und stringenten Stück, das dann den Titel „KLIEGER – von einem der überlebte“ tragen sollte.

Hierbei bewiesen nicht nur die Schauspieler:innen und Techniker:innen eine beeindruckende Kondition und beteiligten sich mit kritischen und kreativen Ideen intensiv am Gestaltungsprozess. Auch Christopher und Maximilian Krauß, sowie Herr Flörchinger investierten viel Zeit und Energie und trugen so ganz wesentlich zum Gelingen des Theaterprojekts bei. Letztlich ist jedes Stück das auf die Bühne kommt ein großartiges Gemeinschaftsprojekt, das nur im Zusammenspiel vieler Aktiver gelingen kann und wird.

Am 7. Mai um 19:00 Uhr war es dann soweit. In der Aula unserer Schule wurde unser Theaterstück erstmals zur Aufführung gebracht. Und unter den zahlreichen Premierengästen befanden sich neben Lehrkräften, Schüler:innen, externe Gästen und Ehemaligen auch der Autor Takis Würger, dessen Buch erstmals den Weg auf eine Bühnen finden sollte. Nach intensiven, spannenden und anspruchsvollen knapp 90 Minuten wurden alle Beteiligte für ihren Einsatz mit stehenden Ovationen belohnt. Takis Würger merkte bei seiner kurzen Ansprache an, dass es für ihn ein ganz eigen- und neuartiges Gefühl war, sich selbst auf der Bühne gespielt zu sehen, was er jedem Anwesenden nur wünschen könne. Wie die anderen Zuschauer:innen auch war er vom intensiven Spiel der Schüler:innen aus der fünften bis zur elften Klasse ebenso beeindruckt, wie von der Inszenierung als solche.

Am 8. Mai ging mit einer Klassenaufführung am Vormittag und einer zweiten Abendaufführung unsere Reise weiter, die dann vorerst mit der Aufführung am 22. Juli im Rahmen der Aschaffenburger Schultheatertage enden wird. Bereits zum fünften Mal wird dann unsere Schule ihre Produktion auf der Bühne des Aschaffenburger Stadttheaters präsentieren können.

Unser Stück hat aber so viel Anklang gefunden und für noch mehr Gesprächsstoff gesorgt, dass ich als Spielleiter davon ausgehe, dass wir auch im kommenden Schuljahr – gerade auch angesichts der weltpolitischen Aktualität – den Stoff wieder aufgreifen werden und einen „zweiten Blick“ auf das Geschehen in Palästina werden werden. Die Zuschauer dürfen somit durchaus gespannt sein, wohin uns der Weg noch führen wird.

Für die Theatergruppe der PSK

Claus Kolb

Theaterlehrer

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